Rezensionen zu meinen Büchern

Elmar Spohn: Zwischen Anpassung, Affinität und Resistenz. Die Glaubens- und Gemeinschaftsmissionen in der Zeit des Nationalsozialismus. Berlin: Lit Verlag 2016 (Beiträge zur Missionswissenschaft / Interkulturellen Theologie, 34). 496 S. (Rezension von Prof. Dr. Hartmut Lehmann).

Die 2013 an der University of South Africa in Pretoria abgeschlossene und jetzt geringfügig überarbeitet im Druck vorliegende Dissertation von Elmar Spohn ist eine herausragende wissenschaftliche Leistung. Zu diesem Votum veranlassen mich verschiedene Gründe. Erstens: Indem er die Haltung der pietistisch-erwecklich orientierten Missionsgesellschaften zum Nationalsozialismus untersucht, bewegt sich d. Vf. in ein bisher von der Forschung weitgehend vernachlässigtes Gebiet der kirchlichen Zeitgeschichte. Allein schon darin hegt ein großes Verdienst. Vielleicht noch wichtiger war zweitens die Entscheidung d. Vf., nicht nur die im Rückblick beschämenden, weil unverzeihlich begeisterten Ausführungen führender Missionsfunktionäre über die „nationale Erhebung“ zu sammeln und zu bewerten, sondern die Frage zu stellen, wie diese gleichen Personen ihr Engagement für Hitlers Herrschaft nach 1945 relativierten und entschuldigend einordneten. Der Titel von Spohns Arbeit ist insofern nicht ganz richtig. Denn das, was er über die Jahre und Jahrzehnte nach 1945 recherchiert hat, ist nach meiner Einschätzung ebenso aufschlussreich wie seine Beobachtungen über die Zeit davor. Zu loben ist drittens die methodische Sorgfalt d. Vf. In jedem Kapitel seiner Studie, in jedem Abschnitt, prüft er kritisch, ob die Quellen seine Aussagen tatsächlich stützen. Jedwede Simplifizierung, auch jedwede simple anklagende Attitüde ist ihm fremd. Umso mehr Gewicht besitzen deshalb seine Ergebnisse. Umso bedrückender sind aber auch seine Befunde. Kurzum: Was Elmar Spohn vorlegt, ist ein bahnbrechendes Werk.

In seinem einleitenden Kapitel rekapituliert d. Vf. zunächst den traurigen Stand der einschlägigen Forschung. Präzise versucht er außerdem zu klären, welche Organisationen zu den Glaubens- und Gemeinschaftsmissionen gehörten. Von zentraler Bedeutung ist dann sein zweites Kapitel. Hier untersucht er, auf welche Weise die Herrschaft der Nationalsozialisten in pietistisch-erwecklichen Publikationsorganen kommentiert wurde, von der als „nationale Erhebung“ apostrophierten Machtergreifung bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs. Getragen von einem vehementen Antibolschewismus wurde Hitler mit wenigen Ausnahmen als Retter und Führer aus nationaler und religiöser Not begrüßt, was besonders erstaunt, weil Hitler von christlicher Mission nichts hielt und sich dazu auch unmissverständlich äußerte. Im Kirchenkampf stellten sich viele Vertreter der Glaubens- und Gemeinschaftsmissionen zunächst auf die Seite der Deutschen Christen. Viele wollten aber später in die Auseinandersetzungen zwischen Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche nicht hineingezogen werden.

Als Ergänzung zu dem bisher Ausgeführten ist Spohns drittes Kapitel besonders interessant, denn in diesem Kapitel erörtert er in acht biographischen Skizzen, wie sich führende Vertreter der Glaubens- und Gemeinschaftsmissionen in dieser kritischen Phase der Geschichte des Christentums politisch und kirchenpolitisch positionierten. Jede dieser Skizzen verdiente eigentlich eine besondere Würdigung. „Der Umgang mit der NS-Vergangenheit und die Schuldfrage“ stehen im Zentrum des vierten Kapitels. Sorgfältig analysiert Spohn Akten zur Entnazifizierung, die sogenannte „Hausliteratur“ der pietistisch-erwecklichen Missionseinrichtungen, sowie Beiträge, die aus Anlass von Jubiläen entstanden. „Schuldbekenntnis und Sündenvergebung sind in gewisser Weise Hauptinhalte erwecklicher Theologie und Frömmigkeit“, schreibt er. „Vor diesem Hintergrund ist es merkwürdig“, setzt er hinzu, dass „die Propria von Schuldbekenntnis und Sündenvergebung im Zusammenhang mit der NS-Vergangenheit“, von wenigen Ausnahmen abgesehen, „in den Jubiläumsbeiträgen der Glaubens- und Gemeinschaftsmissionen keine Rolle spielten“ (331). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt er nach Auswertung biographischer und autobiographischer Zeugnisse. Selbstkritische Stimmen mehrten sich erst in den 1980er und 1990er Jahren, erst eigentlich nach der großen Rede, die Bundespräsident Richard von Weizsäcker aus Anlass der vierzigjährigen Wiederkehr des Kriegsendes im Jahr 1985 hielt.

Eine besondere Leistung der vorhegenden Studie sehe ich darin, dass es d. Vf. nicht bei der Erhebung des historischen Befunds beließ, so wichtig und aufregend diese Ergebnisse auch sind. Ich bin aber sicher nicht der einzige Leser, der ihm für sein fünftes Kapitel besonders dankbar ist. Denn in diesem Kapitel bemüht sich d. Vf. um eine „Auswertung“. Er unterscheidet dabei „theologische Deutungsmuster“, „missionswissenschaftliche Positionierungen“ sowie „Tendenzen politischer Ethik“. Zutreffend charakterisiert er das, was er als „Veilchenmentalität“ bezeichnet, die weit verbreitete Meinung der Gemeinschaftsleute nämlich, sie seien doch so klein und unbedeutend gewesen und hätten, selbst wenn sie es versucht hätten, Schlimmes nicht verhindern können. Diese „Veilchenmentalität“ war nach Spohn von einem deterministisch-eschatologischen Geschichtsverständnis durchdrungen, von der Überzeugung nämlich, Gott lenke die Geschicke der Welt und ihm gelte es sich anzuvertrauen. Wer so dachte, bei dem „verflüchtigte sich“ nach Spohn „die persönliche Verantwortlichkeit gänzlich“ (358), der sah nicht ein, warum er im Kirchenkampf Position beziehen sollte.

Wie Spohn zeigen kann, waren viele der Missionare, mit denen er sich beschäftigte, stark von „völkischen“ Ideen beeinflusst. Zwar lehnten sie die Lehre von einem „artgemäßen Christentum“ ab: „Stets hielt man dort daran fest, dass Menschen jedweder Rasse durch eine Bekehrung zu Jesus Christus bekehrt werden können“ (361). Wohl aber war man der Überzeugung, Gott greife direkt in die Geschichte ein. Als ein solcher Moment, als eine solche „Gottesstunde" galt die „nationale Erhebung“ 1933, von der „einige in Kreisen des pietistisch-erwecklichen Protestantismus“ nicht weniger als „eine sittlich-religiöse Erweckung des deutschen Volkes“ erwarteten (363). „Grundsätzlich“ schreckte man nach Spohn außerdem „davor zurück, sich mit gesellschaftlich benachteiligten Gruppen zu solidarisieren“, mit den Sinti und Roma im Rahmen der sogenannten Zigeunermission ebenso wie mit den Juden. Spohn kann somit konstatieren, „dass im Missionsverständnis der Glaubens- und Gemeinschaftsmissionen Themen wie Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden keine bedeutende Rolle spielten“ (365). Der Frage, warum das so war, widmete Spohn die letzten Abschnitte seines fünften Kapitels. Eine „apolitische Grundhaltung“, die dazu führte, dass man in den Missionspublikationen „heikle politische Themen“ aussparte (367) wurde seiner Einschätzung nach dabei ergänzt durch einen naiven Obrigkeitsgehorsam, der sich auf die Bibelstelle Röm 13, 1-3 berief.

In seinem Ausblick, den er unter das Motto „Erinnern - Umdenken - Umkehren“ stellt, zieht Spohn vier bemerkenswerte Schlussfolgerungen. Buße sei „ein Prozess des Umdenkens und Umkehrens“. Daraus folge für die Glaubens- und Gemeinschaftsmissionen, dass sie erstens „ihre Archive der Forschung zugänglich halten“, dass sie zweitens „bezüglich der ‚schlimmen Vergangenheit‘ weitere Forschungen anregen“, dass sie drittens „die Ergebnisse der Forschung wahrnehmen und theologisch bewerten“ und dass sie viertens „wenn nötig Verhaltensänderungen einleiten“ (374). Die schon 1949 von Karl Hartenstein an die Vertreter der Glaubens- und Gemeinschaftsmissionen gerichtete Forderung, „dass man ‚in aller Klarheit‘ die ‚Irrwege‘ der NS-Vergangenheit in öffentlicher ‚Buße zum Ausdruck‘ bringen solle“, so Spohn abschließend, bleibe „von ungebrochener Aktualität“ (377). Dem ist nichts hinzuzufügen außer dem Dank an den Autor für dieses äußerst verdienstvolle Werk.

Prof. Dr. Hartmut Lehmann in: Pietismus und Neuzeit Bd. 42 (2016), 219-221.

Elmar Spohn, Zwischen Anpassung, Affinität und Resistenz. Die Glaubens- und Gemeinschaftsmissionen in der Zeit des Nationalsozialismus. (Beiträge zur Missionswissenschaft/Interkulturellen Theologie, Bd. 34), Berlin: Lit-Verlag 2016. (Rezension von Prof. Dr. Dr. Heinrich Balz).

Das von Elmar Spohn vorgelegte große Buch, dem mehrere kleinere zu missionsgeschichtlichen Themen vorausgingen, ist nicht leicht, aber notwendig zu lesen. Es hat noch einige formale Schwerfälligkeiten einer Doktorarbeit an sich, aber es bietet eine umfassende, weitgespannte und unentbehrliche Forschungsleistung. Viele Archive, soweit sie dem Verfasser zugänglich waren, wurden konsultiert, und die Bibliographie zu den Quellen und zur wissenschaftlichen Literatur umfasst 60 Seiten. Man ist eingeladen, mit dem Autor zusammen in ein spannendes, bislang eher unerforschtes Gebiet einzusteigen, mit seinen und mit je eigenen Leserfragen.

Die historische Darstellung beginnt mit dem Kapitel über den „Nationalsozialismus im Spiegel der Missionspublikationen“: mit der allgemeinen Krisenstimmung in den letzten Jahren der Weimarer Republik, der Furcht vor dem atheistischen Bolschewismus, dem Antisemitismus, Rassismus und dem Volkstums-Gedanken, dann dem seit Barmen 1934 sich herausbildenden „Kirchenkampf“, von dem aber die Glaubens- und Gemeinschaftsmissionen sich so weit als möglich „unpolitisch“ fernhielten. Man sah sich nicht im status confessionis; alle diese politikbezogenen Themen blieben in den Missionspublikationen marginal; insofern ist auch ihre Zusammenstellung nur bedingt aussagekräftig über was, wann und wo in den Missionen politisch gedacht wurde. Hauptsache und Mitte der ganzen Untersuchung sind die 170 Seiten „Positionen zum Nationalsozialismus dargestellt an ausgewählten Personen“, jeweils biographisch. Die Reihenfolge der acht Porträts wird nicht erläutert, sie ist eher indirekt mit dem Titel „Anpassung, Affinität und Resistenz“ verbunden. Paul Burkhardt, Leiter des Johanneums in Wuppertal und engagiert in der Gnadauer Brasilien-Mission, begrüßte 1933 die „nationale Erhebung“, ließ sich aber bald schon ernüchtern. Auf ihn fällt trotz später Schuldeinsicht ein „zwiespältiges Licht“. Theophil Krawielitzki vom Deutschen Gemeinschafts-Diakonieverband hatte sich tiefer an den Nationalsozialismus gebunden und ihn lange verteidigt. Er glaubte an Hitlers Christlichkeit und lehnte den Weg der Bekennenden Kirche ab. Kurt Zimmermann, Direktor der Allianz-China-Mission, war bei den Deutschen Christen und NS-Parteigenosse, insgesamt „ein Opportunist“. Ernst Buddeberg war früh als Pfarrer in Wuppertal ein tapferer Kämpfer gegen den Nationalsozialismus, später dann, ab 1934 als Direktor der Liebenzeller Mission verfiel er der politischen Apathie. Ein Nationalsozialist war er freilich auch dann nicht: Spohn verteidigt ihn gegen eine entsprechende Deutung durch H. Egelkraut (195, Anm. 109). Wilhelm Nitsch von der Neukirchener Mission bekämpfte Hitlers Rassenideologie, war aber für seine aggressiv erobernde Außenpolitik. Nach dem Krieg legte er in seiner Autobiographie 1960 ein Schuldgeständnis ab, was andere nicht taten. Die drei verbleibenden Porträts sind nicht von Direktoren, sondern von Menschen, die zum Widerstand gegen, und zu den Opfern des Nationalsozialismus gehören. Joachim Müller vom Missionsbund „Licht im Osten“ kämpfte früh gegen die Verführung durch neues Heidentum und setzte sich für einen judenchristlichen Freund ein, was zu seiner eigenen Vertreibung aus dem Pfarramt führte; dieses sein Engagement war „singulär“ unter den Missionsleuten. Hugo Löwenstein war ein judenchristlicher Kaufmann aus Tübingen, der erst durch seine erzwungene Auswanderung nach Palästina zum Judenmissionar der Evangelischen Karmelmission wurde. Er verstarb dort 1944; die Mission hätte aufgrund ihrer Auslandsverbindungen mehr für ihn tun können, als sie tat. Jaija Sattler war ein getaufter Missionsprediger vom Volk der Roma, er arbeitete unter Frieda Zeller-Plinzner für die „Mission für Süd-Ost-Europa“ und kam als Zigeuner mit Tausenden anderen im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zu Tode. Frau Zeller-Plinzner konnte ihm nicht helfen, sie versuchte es wohl auch nicht ernsthaft: ihre Geschichte ist die Tragik einer Evangeliumsverkündigung ohne die praktische Solidarität mit denen, die sie ansprach. Mit diesen acht sehr unterschiedlichen Porträts ist das Titelthema anschaulich und detailreich behandelt. Die Untersuchung endet aber noch nicht. Sie bekommt mit dem anschließenden Kapitel „Der Umgang mit der NS-Vergangenheit und die Schuldfrage“ erst ihre Zuspitzung. Von der Evangelischen Kirche gab es 1945 das Stuttgarter Schuldbekenntnis, dem aber die Freikirchen und Glaubensmissionen überwiegend öffentlich nicht zustimmten. Die allgemeine Beschäftigung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus verzögerte sich in der deutschen Gesellschaft und bei den Glaubensmissionen bis in die 1960er und 70er Jahre. Davor wurden von den Spruchkammern führende Missionsleute auf problematische Weise freigesprochen, in der „Hausliteratur“ und in den Jubiläumsbänden der Missionen überwog lange das Schweigen. Erst in den 1980er und 90er Jahren kam es zu ernsthaften Stellungnahmen der Missionen zu ihrer Vergangenheit im Dritten Reich: Neukirchener Mission 1985 Allianz-Mission 1989, Deutscher Gemeinschafts-Diakonieverband 1999. Was fängt der nachdenkliche Leser mit den aufgedeckten geschichtlichen Zusammenhängen und Verwirrungen an? Spohn fragt durchgängig nach der „Positionierung“ seiner geschichtlichen Personen; er ist erkennbar bemüht, dabei auch seine eigene Position zu bestimmen. Sie ist näher bei der Bekennenden Kirche und beim Stuttgarter Schuldbekenntnis als bei den verzögerten Einsichten der Glaubensmissionen. Es ist auch die Position eines Fünfzigjährigen, dem man manchmal mehr Gespräch mit den heute über Fünfundsiebzigjährigen wünschen würde. Er verspricht eine Untersuchung „sine ira et studio“ (15), doch im Stilistischen, wo er den Behandelten „Plattitüden, Anbiederung, Paternalismus“ und „Bürgerlichkeit“ vorwirft, ist wohl doch einige ira geblieben, nicht der souveräne Historiker-Blick, der, wo es denn sein muss, in wohlgewählten Zitaten seine Protagonisten sich selber blamieren lässt. Aber offenkundiges Ziel ist ihm ja auch, auf die gegenwärtige und künftige „Hausliteratur“ der untersuchten Missionen einzuwirken. Spohn ist Dozent an der Akademie für Weltmission in Korntal. In dieser Richtung bleibt festzuhalten, und vielleicht etwas deutlicher zu sagen, als Spohn dies tut, dass die Glaubensmissionen, obwohl die Martyria hinter dem Keryssein zurückblieb, dennoch nicht alles falsch gemacht haben. Insgesamt, einige wenige Personen ausgenommen, zeigten sie sich „gegenüber nationalsozialistischen Weltanschauungsangeboten resistent“ (373). E. Buddeberg hatte das Ideal der Glaubensmissionen inmitten der politischen und Kirchen-Kämpfe beschrieben als das „des Veilchens, das im Verborgenen blüht“ (356), schon ihm Ahnen, dass es so nicht immer geht. Das Veilchen ist nicht Buddebergs Erfindung, sondern kommt aus J.W. Goethes Gedicht: „Ein Veilchen auf der Wiese stand/ gebückt in sich und unbekannt“. Er hätte das Gedicht auch anders zitieren können: am Ende steht das Veilchen nicht mehr, sondern es wird zertreten. Dies war, Gott sei es gedankt, nicht das Ende der deutschen Glaubens- und Gemeinschaftsmissionen.

Prof. Dr. Dr. Heinrich Balz, in: ZMiss 2-3 (2016), 308-310.

Spohn, Elmar. Die Allianz-Mission und der Bund Freier Evangelischer Gemeinden. Die Geschichte ihrer Beziehung und deren theologische Begründung (Geschichte und Theologie der Freien Evangelischen Gemeinden, Band 6.1), Witten: Bundes Verlag, 2011. (Rezension von Prof. Dr. Bernd Brandl).

Die Geschichte der Allianz-Mission (AM) als einer der frühen deutschen Glaubensmissionen ist bis heute noch weitgehend unerforscht. Es ist daher von großem wissenschaftlichem Interesse, dass der Verfasser des vorliegenden Buches einen Teilaspekt dieser noch sehr im Dunklen liegenden Vergangenheit der AM erforscht hat und sie ans Licht bringt. Er konzentriert sich dabei sicherlich auf eine der interessantesten Entwicklungen innerhalb der AM: Ihr Weg von einer dezidiert interdenominationellen Glaubens- und Allianzmission hin zu einer im wesentlichen denominationellen Mission des Bundes Freier Evangelischer Gemeinden (FeG) in Deutschland. Diese Entwicklung ist in Deutschland einzigartig und von daher doppelter Aufmerksamkeit wert. Dem Autor ist es weiter wichtig, seine Arbeit auch in einen größeren Horizont der theologischen und kirchenpolitischen Auseinandersetzungen zu stellen, die um eine adäquate Zuordnung von Mission und Kirche geführt wurden. Gut dokumentiert ist diese Diskussion im Raum der evangelischen Landeskirchen. Die parallel dazu verlaufende Geschichte innerhalb der Freikirchen und ihren Missionen bildet dagegen noch eine Forschungslücke. Die vorliegende Arbeit beleuchtet nun eindrücklich diese Entwicklung für den speziellen Bereich der FeG. Dabei hatte der Autor mit verschiedenen Hindernissen zu kämpfen. Vor allem ist die Quellenlage zur Geschichte der AM sehr schwierig, da durch den Zweiten Weltkrieg wichtige Primärquellen vernichtet wurden. Es ist nun ein besonderes Verdienst Spohns, dass er zum ersten Mal überhaupt für die AM die ihm noch verfügbaren Archivalien sinnvoll ordnend zusammenstellte, dokumentierte und in Bezug auf sein Thema auswertete. Dadurch wurde wichtige Vorarbeit geleistet, um später einmal eine Gesamtdarstellung der Geschichte der AM zu schreiben.

In den vier Hauptkapiteln gelingt es dann dem Autor unbekanntes Quellenmaterial sinnvoll zu verarbeiten, Verknüpfungen herzustellen, Personen in ihrer Prägung und Bedeutung für die AM zu skizzieren und kreativ (da, wo er nur auf Vermutungen angewiesen ist) eine plausible Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte der AM und ihre Beziehungen zu den FeGs herzustellen.

Spohn erkennt auch richtig die theologie- und erweckungsgeschichtlichen Hintergründe, Zusammenhänge und Prägungen der AM in ihrer Frühphase (Heilungs- und Heiligungsbewegung) und zeigt die wachsende Denominationalisierung der AM und auch der FeG auf. So entsteht eine spannende Darstellung der sehr wechselvollen Geschichte der Bezie­hungen zwischen der AM, der FeG und anderer Missionen (z.B. der Neukirchener oder der China-Inland-Mission) und verschiedener Kirchen auf. Überraschend ist am Ende das Ergebnis der Untersuchung Spohns: Es waren auf Seiten der AM keinesfalls theologische oder ekklesiologische Gründe, die zur Eingliederung der AM in den Bund der FeG führten. Vor allem pragmatische Gesichtspunkte leiteten die Verantwortlichen, um den Zusammenschluss zu vollziehen, wobei auf Seiten des Bundes der FeG die wachsende Kirchwerdung eine wichtige Rolle spielte; man wollte als FeG auch selber Mission betreiben und als Gemeindebund mitbestimmen. Richtig bemerkt der Autor jedoch in seiner kritischen Würdigung, dass die recht schwache theologisch-ekklesiologische Grundlegung des Verhältnisses von Gemeinde und Mission bis heute im Bund der FeG noch weiterer theologischer Reflexion bedarf. Schade ist, dass Spohn es versäumte, die umfangreichen Archive der Neukirchener und der Vereinigten Evangelischen Mission in Wuppertal-Barmen und Neukirchen zu konsultierten. Beide Missionen lagen der AM geographisch und im Falle der Neukirchener Mission auch theologisch und erweckungsgeschichtlich sehr nahe. Hier schlummert sicherlich noch manche Primärquelle, die dazu beitragen könnte, die verlorengegangenen Archivalien der AM zu ersetzen und das Dunkel über manche Aspekte ihrer Geschichte zu erhellen.

Mit der vorliegenden Arbeit gelingt es Elmar Spohn, einen weiteren Baustein zur umfassenden Aufarbeitung der Geschichte der Glaubensmissionen beizusteuern, welche Ende des 19. Jahrhunderts entstanden und der deutschen Missionsbewegung neue Impulse gaben.

Prof. Dr. Bernd Brandl, in: em 4/13 (2013), 219-22.

Michel, Erhard, Johannes Reimer, Elmar Spohn (Hg.). Christus für die Welt: Theologische Beiträge zur Mission und Gemeindegründung im Umfeld von Allianz-Mission und Freien evangelischen Gemeinden. Witten: Bundes-Verlag, 2014. (Rezension von Daniel Vullriede).

Die vorliegende Festschrift wurde zum 125-jährigen Jubiläum der Allianz-Mission (AM) veröffentlicht, wobei der Band nicht als offizielles Dokument zu verstehen ist, sondern als Sammlung von theologischen Beiträgen, „die zur Diskus über Mission anregen und frische Impulse geben wollen“ (S.8). Die Herausgeber sind Erhard Michel (Missionsleiter der Allianz-Mission), Johannes Reimer (Missiologie-Professor der TH Ewersbach) und Elmar Spohn (u.a. Dozent an der AWM, Korntal).

Im ersten Teil („Mission großgeschrieben – zum Missionsverständnis“) beleuchten Siegbert Riecker und Julius Steinberg die alttestamentlichen Voraussetzungen christlicher Mission. Christoph Stenschke hingegen beschäftigt sich in seinem Artikel mit der neutestamentlichen Grundlegung der Mission und was es bedeutet, wie Jesus gesandt zu sein. Sodann erörtert Alfred Meier die Trinitätsmetapher von „Gottes Tanz in der Welt“ und ihre Bedeutung für die neuere Missionstheologie.

Der zweite Teil („Zur Geschichte der Allianz-Mission“) beinhaltet eine chronologische Übersicht über die Entwicklung der AM von Hans Ulrich Reifler, einen biographischen Artikel von Heinz Müller über den ersten Missionar der damaligen Allianz-China-Mission, eine Auswertung von Johannes Reimer über die gewachsene Beziehung von AM und den Ortsgemeinden sowie einen Überblick von Dave Rose über jene Entwicklungen, die zum Engagement der AM in Asien führten.

Im dritten Teil („Evangelisation und Gemeindegründung“) spricht sich Alfred Meier für eine konzeptionelle Unterscheidung von Mission und Evangelisation aus und untersucht, welche Folgen das für die Evangelisationspraxis hat. Erhard Michel wiederum arbeitet anhand der vielseitigen Geschichte der Gemeindegründungen in den FeG zwölf Impulse heraus, die zu weiterem Engagement anregen. Craig Ott geht näher auf das oft vernachlässigte Verhältnis von Gemeindegründungen und der „Missio-Dei“ ein, während sich das daran anschließende Thesenpapier von Johannes Reimer mit Trendwenden und der Notwendigkeit von europaweiten Gemeindegründungen beschäftigt.

Im vierten Teil („Viele Themen – ein Anliegen“) stellt Jürgen Kuberski, ausgehend von Apg 13,1–14, die Frage, wer genau die ersten Missionare ausgesandt hat. Der gemeinsame Artikel von Tobias Becker, Alfred Meier und Karsten Pacher widmet sich einer Theologie des Fundraisings und den daraus entstehenden Möglichkeiten für Missionare, Gemeinden und Missionsgesellschaften. Inwiefern Mission als Entwicklungsdienst verstanden werden und langfristig das Leben von mittellosen Menschen positiv verändern kann, schildert Thomas Schmidt. Abschließend beleuchtet Elmar Spohn das Spannungsfeld von Rechtgläubigkeit und Kontexttheologie am Beispiel eines Konflikts der AM am Ende der 1950er Jahre mit einer Japan-Missionarin, die sich zur Anhängerin einer fragwürdigen Christologie entwickelt hatte.

Einerseits demonstriert die Festschrift, wie bewegt und bewegend die Geschichte der AM ist, andererseits spiegelt sich in den Beiträgen die Vielseitigkeit der deutschsprachigen, evangelikalen Missiologie wider. Beim Lesen treten zudem immer wieder aktuelle Frage­stellungen in den Vordergrund, z.B. was Mission heutzutage alles umfasst, was „Missio Dei“ konkret bedeutet und welchen Platz der Einzelne bzw. die Ortsgemeinde dabei einnimmt.

Wie bei Sammelbänden üblich unterscheiden sich die Beiträge in ihrem Umfang und Anspruch; vereinzelte Schreibfehler trüben nur kurz das Lesevergnügen. Auf ein Stichwort-, Bibelstellen- oder Literaturverzeichnis wurde verzichtet, jedoch weisen die Autoren in Fußnoten auf weiterführende Quellen hin.

Letztlich bietet die Festschrift viel Material zum Reflektieren, Diskutieren und Weiterforschen, vor allem bei den dezidiert missionstheologischen Grundfragen (Riecker/ Steinberg, Stenschke, Meier, Reimer und besonders Ott). Somit ist der Band nicht nur für Leser aus dem Umfeld der AM interessant, sondern auch allgemein für Missionsinteressierte und -involvierte, für Studenten und Dozenten. Ebenso kann der Band anderen Missionswerken den positiven Anstoß geben, die eigene Geschichte auszuwerten und wieder neu nach Gottes Anliegen für die Welt zu fragen.

Daniel Vullriede, in: em 4/14 (2014), 217-218.

Elmar Spohn. Mission und das Kommende Ende – Karl Hartensteins Verständnis der Eschatologie und dessen Auswirkungen auf die Mission. Lahr: Verlag der Liebenzeller Mission, 2000. (Rezension von Prof. Dr. Dr. Thomas Schirrmacher).

Prälat Karl Hartenstein war der Basler Mission eng verbunden und ein großer Förderer von Mission und weltweiter Ökumene. In dieser vom AfeM preisgekrönten Arbeit wird zwar auch sein Leben kurz skizziert und grundsätzlich seine Theologie aus den Quellen erhoben, aber der Schwer­punkt liegt auf seiner Eschatologie und ihrer Aktualität (S. 47-87+129-167) und auf deren Auswirkungen auf die Missionstheologie Hartensteins und auf die Welt­missionskonferenzen 1938-1952. Die Arbeit ist gut aus den Quellen recherchiert und flüssig geschrieben.

Hartenstein grenzte sich nach Spohn gegen vier Bewegungen ab (S.30-35): 1. die Kerygmatheologie Bultmanns, 2. den Fundamenta­lismus, 3. den Dispensationalismus und 4. ge­gen „die lutherische Individualisierung des Erlösungswerkes Christi“ (S.30). Israel spielte in seiner Eschatologie eine große Rolle, aber gegen den Dispensationalismus lehnte er die Fort­dauer der Landverheißung für Israel - ebenso wie die Vorentrückung der Gläubigen - ab (S.65-78). Von der reichsgeschichtlichen Offenbarungs­auslegung geprägt, verstand er die Kirche vor allem als leidende Minder­heitenkirche, weswegen die Theologie des Martyriums seine Eschatologie und Missiologie bestimmte (bes. S.54-59). Seine fehlende Grundsatzkritik am Dritten Reich verhinderte allerdings die Anwendung dieser Sicht auf die Kirche unter dem Nationalsozialismus (S.62-63). Der Martyriumstheologe Hartenstein wurde – je länger desto mehr – im Gegensatz zum frühen Hartenstein mehr und mehr zu ei­nem Verfechter der Allversöh­nungslehre württembergischer Prägung (S.79-87).

Etwas mühsam scheint mir der Versuch, die Auswirkungen der Escha­tologie und Missiologie Hartensteins über die Weltmissionskonfe­renzen hinaus bei George W. Peters und der Lausanner Verpflichtung ebenso wie im 2. Vatikanischen Konzil oder den Pfingstmissionen (S.92ff) und manch anderen Stellen zu zeigen. Zumal sich in allen Fällen nur die Parallele er­gibt, daß die Eschatologie für die Missions­theologie wichtig ist, während die jeweils kon­krete Eschatologie sich stark von Hartenstein unterschei­det. Zwar wird zugegeben, daß es sich praktisch immer um selbstständig entstan­dene parallele Aussagen und Bewegungen handelt, aber es wird von „Auswirkungen“ und „Aufnahme“ der Sicht Hartensteins gesprochen und dadurch der Eindruck erweckt, als hätte Hartenstein über den württembergischen Bereich hinaus großen Einfluß gehabt. Hier hätte man sich eine klare Unterscheidung zwischen echter und nachweisbarer Beeinflussung durch Hartenstein und von ähnlich denkenden Bewe­gungen ge­wünscht. Auch die zitierte Aussage, daß Hartenstein mit Barth und Brunner zu Lebzeiten die theologische Szene Westeuropas dominiert hätte (S. 19), scheint mir doch zu weit zu gehen. Dazu war Hartenstein einfach nicht bibelkritisch genug! 

Prof. Dr. Dr. Thomas Schirrmacher in: em 4/00 (2000), 156-157.

Elmar Spohn. Mission und das kommende Ende. Karl Hartensteins Verständnis der Eschatologie und dessen Auswirkungen auf die Mission. Lahr: Verlag der Liebenzeller Mission, 2000. (Rezension von Hans Ulrich Reißer).

Die Magisterarbeit von Elmar Spohn gibt einen Einblick in das Leben und die Theologie Karl Hartensteins im Dienst für die weltweite Kirche und Mission. Hartenstein war im deutschsprachigen Raum der prägende Missionstheologe zwischen der zweiten Weltmissionskonferenz in Jerusalem (1928) und der fünften Weltmissionskonferenz in Ghana (1958). Elmar Spohn gelingt bereits im ersten Kapitel (S. 9-13) der Nachweis, dass in der Theologie Hartensteins der Zusammenhang zwischen Mission und Eschatologie nicht ein Randgebiet darstellt, sondern in der Mitte seines missionstheologischen Denkens zu finden ist. Im zweiten Kapitel (S. 14-18) stellt uns der Autor Hartenstein als Seelsorger, Kirchenmann Württembergs, führenden Missionstheologen und Ökumeniker vor, dessen Theologie von Karl Heim und Adolf Schlatter, später auch von Karl Barth geprägt war. Leider verschweigt Spohn, weshalb sich Hartenstein von der Barthschen Theologie distanzierte. Im dritten Kapitel (S. 19-22) erwähnt der Autor, dass sich nach dem Tod Hartensteins in der ökumenischen Missionstheologie nicht nur ein schmerzlicher Paradigmenwechsel vollzogen hat, sondern sein Vermächtnis mit Ausnahmen (W. Metzger, K. Rennstich, L. Wiedenmann, G. Schwarz, K. Bockmühl, G. Sautter, P. Beyerhaus und C. Sauer) fast verloren gegangen ist. Das vierte Kapitel (S. 23-46) unterstreicht sorgfältig die seelsorgerliche Intention, das heilsgeschichtliche Bibelverständnis und die reichsgeschichtliche Auslegung der Offenbarung des Johannes als Voraussetzung; den württembergischen Pietismus (F. C. Steinhofer, P. M. Hahn, J. A. Bengel, M. Hahn, F. Oetinger und C. A. Auberlen) und die heilsgeschichtliche Theologie (A. Schlatter, K. Heim, O. Cullmann) als Quellen der Theologie Hartensteins. Im fünften Kapitel (S. 47-87) widmet sich Spohn einer allgemeinverständlichen Darstellung von Hartensteins Eschatologie im Spannungsfeld zwischen gegenwärtigem und zukünftigem „Eschaton“. Für die Gegenwart bedeutet die Hoffnung des Glaubens a) die Errettung aus dem dämonischen Zeitalter (Kol 1,13), b) die Gabe des Heiligen Geistes als Unterpfand (2. Kor 1,22; 5,5; Röm 8,16), und c) die Entmachtung der Finsternis durch den Sieg Jesu am Kreuz (Kol 2,14-15). Für die Gemeinde bedeutet die Zwischenzeit zwischen Auferstehung und Wiederkunft Jesu Christi Bereitschaft zum Zeugnis und zum Leiden als Minderheits- oder Fremdlingskirche. Für die Zukunft bedeutet die Hoffnung des Glaubens einerseits das Hereinbrechen antichristlicher Mächte, die in der Herrschaft des Antichristen mündet, und andererseits das Warten auf die glorreiche Wiederkunft Jesu Christi, das Tausendjährige Reich und die „Rettung aller“. Diese Sichtweise Hartensteins führt nach Spohn nicht in die Resignation, sondern eröffnet Zukunftsperspektiven für das positive Ziel Gottes mit der Menschheit (S. 87). Ob die „Rettung aller“ tatsächlich Zukunftsperspektiven eröffnet und nicht den Tod unseres missionarischen Handelns bedeutet, beantwortet Spohn angesichts der tatsächlichen Verlorenheit der Menschen ohne Jesus Christus zu wenig deutlich. Das sechste Kapitel (S. 88-128) zeigt die Auswirkungen von Hartensteins Eschatologie auf die ökumenische Missionstheologie, wie sie in den Weltmissionskonferenzen zwischen Jerusalem 1928 und Achimota/Ghana 1958 dargestellt wurde. In einem zweiten, kürzeren Teil gelingt es Spohn aufzuzeigen, wie Hartensteins universal-heilsgeschichtliches Missionsverständnis die deutschsprachige Theologie der Mission bis in die Gegenwart nachhaltig geprägt hat. Im siebten Kapitel (S. 129-167) verweist der Autor auf die Aktualität der Eschatologie Hartensteins. Jenseits eines nationalistischen oder marxistischen Idealismus und jenseits eines nordamerikanischen Aktivismus führt uns Hartensteins Eschatologie zu geduldigem Warten, nüchterner Wachsamkeit, froher Zukunftserwartung und in die Bereitschaft, Leiden um Christi Willen auf uns zu nehmen. Hartensteins Eschatologie lädt ein zu einer biblischen, hoffnungsvollen und realen Zukunftserwartung: „Ohne diese Vision Gottes wäre die Geschichte nicht mehr auszuhalten“ (S. 167). Die umfangreiche Bibliographie (S. 168-192) ist für ein vertieftes Studium der Eschatologie Hartensteins sehr hilfreich. Spohns Magisterarbeit gibt nicht nur einen Einblick in das missionstheologische Denken Hartensteins. Sie erschließt uns erneut den Reichtum der christlichen Hoffnung für das missionarische Handeln in der Seelsorge, in der Gemeindearbeit und in der Diakonie.

Hans Ulrich Reißer in: JETh 15 (2001), 209-210.

Elmar Spohn. Mission und das kommende Ende. Karl Hartensteins Verständnis der Eschatologie und dessen Auswirkungen auf die Mission. Lahr: Verlag der Liebenzeller Mission, 2000. (Rezension von Albrecht Hauser).

Karl Hartenstein (1894-1952) galt als eine der großen Persönlichkeiten in Kirche, Theologie und Mission Mitte des 20. Jahrhunderts. Von 1926-1959 war er Direktor der Basler Mission und ab 1941 Prälat von Stuttgart und somit in der württembergischen Kirchenleitung tätig. Im Deutschen Evangelischen Missionsrat vertrat er zusammen mit Walter Freytag eine heilsgeschichtlich-eschatologische Theologie, welche die deutsche Missionstheologie in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wesentlich prägte. Mit großer Sachkenntnis und Leidenschaft hat er diese Missionstheologie auch auf den großen ökumenischen Tagungen seiner Zeit verfochten. Seine Theologie war stets geprägt von einer schriftgebundenen, lebensbejahenden Zukunftshoffnung, welche die weltweite Verkündigung des Evangeliums als ein eschatologisches Zeichen der Zeit wahrnahm.

Es ist dem Autor, Elmar Spohn, durch diese Magisterarbeit gelungen, das missionstheologische Vermächtnis Karl Hartensteins dem Leser nahe zu bringen. Die Quellen seines missionstheologischen Denkens werden analysiert, und befruchtende Impulse hieraus vermittelt. Hartenstein, der eine Synthese fand zwischen dem theologischen Ansatz von Karl Barth und dem schwäbischen Pietismus, und dessen heilsgeschichtliches Denken auch stark von Oscar Cullmann beeinflusst war, wurde leider nach seinem Tode weitgehend vergessen. Es ist dem Buch zu wünschen, dass es viele aufmerksame Leser und Leserinnen in Kirche, Theologie und Mission findet, denn Karl Hartenstein könnte mithelfen, dass wir aus den missionstheologischen Sackgassen unserer Zeit herausfinden. Mission, wie sie Hartenstein verstanden hat, ist nicht nur eine Aktivität der Kirche, sondern Wesen und Prüfstein all ihrer Aktivitäten und eine Quelle ihrer Erneuerung auf dem Weg. Ein umfangreiches Verzeichnis der Primar- und Sekundärliteratur, wie auch eine Hartenstein-Bibliographie laden ein, sich 50 Jahre nach seinem Tode neu und gewinnend mit diesem bedeutenden Theologen zu beschäftigen.

Albrecht Hauser in: Jahrbuch Mission (2002), 244.

Elmar Spohn. Mission und das kommende Ende. Karl Hartensteins Verständnis der Eschatologie und dessen Auswirkungen auf die Mission. Lahr: Verlag der Liebenzeller Mission, 2000. (Rezension von Elisabeth Huser).

Karl Hartenstein (1894-1952) war Pfarrer in Württemberg, bevor er 1926-1939 die Basler Mission leitete. Ab 1941 war er Prälat der Landeskirche Württembergs in Stuttgart, Mitverantwortlicher im Oberkirchenrat und später auch noch in verschiedenen weiteren kirchlichen Ämtern tätig. Nicht zu übersehen ist seine „Mitarbeit bei den Weltmissionskonferenzen in Tambaram (Indien) 1938 in Whitby (Kanada) 1947 und in Willingen 1952 …“ (S. 18).

Nach einem Überblick über sein Leben und sein Vermächtnis werden die Voraussetzungen und Quellen seiner theologischen Arbeit aufgezeigt. Hier werden Karl Barth, A. Schlatter, K. Heim, J. A. Bengel und später noch einige „württembergische Väter“ genannt.

Der Hauptteil des Buches besteht in der Darstellung von Hartensteins Eschatologie und ihrer Auswirkung auf die Mission. Hier einige Grundgedanken seiner Eschatologie: Die Kirche lebt in einer „Zwischenzeit“ zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen Christi. Das Heil ist einerseits gegenwärtig, andererseits aber noch nicht da. Die antichristliche Zeit ist mit dem Beginn des 1. Weltkrieges angebrochen. Hartenstein sieht verschiedene Zeichen der antichristlichen Weltentwicklung, wie z. B. den Massenabfall der christlichen Völker, versucht aber nicht, das Ende vorauszuberechnen. Er sagt z. B.: „Die Offenbarung ist eine Gemeindebuch und nicht ein Rechenbuch und nicht ein Fahrplan Gottes.“ (S. 37) In diesem Punkt unterscheidet er sich von Bengel und anderen, die versuchten aus der Bibel die Endzeit zu errechnen. Hartenstein glaubt an die zukünftige Rettung Israels bei der Wiederkunft Christi, ist aber zurückhaltend in bezug auf die Rückkehr Israels ins Land der Verheissung. Er versteht die Verheissungen Israels geistlich. Die Entrückung der Gläubigen wird nach Hartenstein bei der Wiederkunft Jesu stattfinden nach 1. Thess 4, 13-18 (nicht vor der grossen Trübsal) und wird gefolgt von dem tausendjährigen Reich auf dieser Erde. Hartenstein versteht es als Herrschaft Christi über die Welt mit der Kirche aus Juden und Heiden, die unter allen Völkern missionieren. Ab 1940 vertritt er die Lehre der Allversöhnung.

Die Auswirkungen der Eschatologie auf die Mission werden schon an einigen guten Beispielen vor der Zeit Hartensteins aufgezeigt. Für ihn selbst besteht ein „geheimnisvoller Zusammenhang“ (S. 95) zwischen Mission und Wiederkunft. Mission ist Vorzeichen und Vorbedingung des Endes sowie „heilsgeschichtlicher Auftrag bis zum Ende“ (S. 101). Er setzte sich bei der Weltmissionskonferenz in Tambaram (1938) ein für die Verkündigung des Gekreuzigten und Auferstandenen als einzige Hoffnung für die Welt. Dies stand im Gegensatz zu anderen Tendenzen wie dem „sozialen Evangelium“ und der Religionsvermischung. Auch in Whitby (1947) und Willingen (1952) vertrat er die eschatologische Sicht der Mission. Nach seinem Tod verlor diese Sicht aber an Bedeutung „und wurde in den folgenden Weltmissionskonferenzen bzw. Vollversammlungen des Ökumenischen Rats der Kirchen mehr und mehr verdrängt oder umgedeutet“ (S. 107).

Diese Darlegung des Gedankenguts Hartensteins werfen zum Teil Fragen auf, sei es über die Zukunft Israels, das Verständnis des 1000jährigen Reiches und vor allem über die Frage der Allversöhnung. Der Autor zeigt gut, dass diese letzte Lehre, die Hartenstein erst später vertreten hat, zum Teil psychologisch begründet ist. Wer sich mit dieser Frage beschäftigen möchte, wird mit Gewinn das Buch von Andreas Symank lesen: „Werden alle Menschen gerettet?“ Riehen: Immanuel-Verlag. 1997 (3. Auflage). Der Autor A. Symank vertrat selbst die Allversöhnungslehre bis er aus biblischen Gründen zu einer anderen Überzeugung kam.

Eine Bemerkung zur Verwendung des Begriffs „fundamentalistisch“: Es wird erklärt, dass Hartenstein die „fundamentalistische“ Hermeneutik seiner Zeit nicht teilen konnte, weil sie eine starre Inspirationslehre vertrete, die alle Worte der Bibel auf die gleiche Ebene setze (S. 32f.). Das Wort „fundamentalistisch“ meint aber eigentlich nur (jedenfalls heute), dass man an die volle Wahrheit der Bibel glaubt. Der Begriff legt also an sich noch nicht fest, wie man im Einzelnen die Erfüllung der verschiedenen Verheißungen des Alten Testaments versteht, ob als real-historisch oder sinnbildlich. Insofern gibt es auch unter Fundamentalisten verschiedene Auffassungen über die Endzeit.

Am Schluss des Buches wird auf die Aktualität der Eschatologie Hartensteins hingewiesen. Seine Sicht erfuhr einerseits scharfe Kritik, andererseits findet man „die gleiche Tradition der heilsgeschichtlich-eschatologischen Missionsbegründung“ (S. 145) in einigen evangelikalen Dokumenten über Mission, v.a. im Manila-Manifest (die Allversöhnungslehre kommt aber dort nicht vor).

Zusammenfassend wird Hartensteins Beitrag gewürdigt:

„Somit wird man die Aktualität der Eschatologie Hartenstein primär in der Infragestellung moderner geschichtsimmanenter Eschatologien sehen können.“ (S. 162) „Die Aktualität der Eschatologie Hartensteins zeigt sich jedoch am deutlichsten in der heilsgeschichtlich-eschatologischen Ekklesiologie. Die heilsgeschichtliche Aufgabe der Kirche Christi in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen Christi ist die Mission… Die Kirche Christi ist nicht zum Selbstzweck da, sondern zum missionarischen Dienst an der nicht glaubenden Welt.“ (S. 166)

EH (Huser, Elisabeth) in: Fundamentum 1 (2002), 109-111.